Geschichten von Erfahrungsexperten
Bianca
"Die Folgen der AVM-Blutung haben einen großen Einfluss auf mein Leben. Ich habe manchmal Unverständnis in meiner Umgebung: Die Leute denken oft, dass alles gut wird." lese Sie mehrBianca
Als es im Jahr 2016 passierte, war ich 47 Jahre alt. Unsere Kinder wohnten damals noch alle zuhause und waren 15, 18 und 21 Jahre alt. Ich habe mit viel Freude im Catering für Unternehmen gearbeitet.
1 Wann trat bei Ihnen eine Hirnblutung auf?
Am 18. Januar 2016 habe ich mit einer Freundin Sport getrieben. Während des Sports bekam ich ein taubes Gefühl im Mundwinkel. Da habe ich nicht mehr weiter darüber nachgedacht, aber ich konnte mein Handtuch nicht mehr festhalten und konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Daraufhin holte meine Freundin Hilfe heran. Der Hausarzt kam und ich wurde schnell mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Dort dachte man an eine TIA (transitorische ischämische Attacke). Im Krankenhaus bekam ich in der Notaufnahme sofort einen Scan und darauf sah man, dass es sich um eine Hirnblutung handelte. Erst mehrere Wochen später wurde festgestellt, dass die Blutung infolge einer AVM aufgetreten war.
Ich wurde auf der Medium Care aufgenommen. Dort hatte ich meinen ersten epileptischen Anfall. Das wurde damals mit Medikamenten gut unter Kontrolle gebracht. Im Krankenhaus bekam ich sofort Therapien, u.a. Physiotherapie und Ergotherapie, und viele Untersuchungen. Es war schnell klar, dass meine linke Hand nicht richtig funktionierte.
2 Wie verlief die Reha?
Am 29. Januar bin ich in eine Reha-Klinik gegangen, um mit einem intensiven Programm von 7,5 Wochen klinisch zu revalidieren. Danach ging es mir eigentlich ziemlich gut. Laufen, Fahrradfahren, Sport: das ging alles gut.
Ende Februar stellte man fest, dass die Blutung infolge einer AVM aufgetreten war. Daraufhin wurde entschieden, dass ich operiert werden musste. Die Operation fand letztendlich am 26. Oktober 2016 statt und die Zeit davor war für mich sehr spannend. Ich würde einen Großteil der 9 Stunden dauernden Operation bei Bewusstsein sein. Und so ging es auch. Während der Operation hat man mit mir gesprochen. Ich habe während der gesamten Operation Epilepsie gehabt. Seitdem habe ich regelmäßig epileptische Anfälle, bei denen vor Allem mein Arm und meine Hand unkontrollierte Bewegungen machen, manchmal ist auch mein Gesicht betroffen. Das kann besonders schmerzhaft sein und danach bin ich immer sehr müde. Ich fühle es nicht kommen, aber es geht immer von selbst vorbei.
Nach der Operation habe ich noch an einem poliklinische Rehabilitationsprogramm von 8 Wochen teilgenommen. Ich habe Probleme mit ernsthaftem Ödem und bin insgesamt schlechter dran als vor der Operation. Zuhause bekam ich Physiotherapie, Ergotherapie und ambulante Begleitung..
3 Welche Auswirkung hat die AVM-Blutung auf Ihr Leben?
Die Blutung und deren Folgen haben eine sehr große Auswirkung auf mein Leben. Ich bin vollständig arbeitsunfähig und kann nicht mehr arbeiten. Ich kann bestimmte Dinge nicht mehr gut, wie z.B. Häkeln, Fahrradfahren, längere Strecken laufen. Meine Emotionen haben sich verändert, ich bin eine richtige Heulsuse geworden und nehme überall, wo ich hingehe, Taschentücher mit. Ich bin von vielen Dingen stark betroffen. Wenn ich irgendwo hin muss, oder ein Gespräch habe, scheue ich mich stark davor und muss schon im Voraus heulen. Ich habe auch viele körperliche Beschwerden, u.a.: Ödeme, Epilepsie, Kraftverlust, Gefühllosigkeit und Schmerzbeschwerden. Ich merke, dass ich viel weniger Energie habe, sodass ich mittags ruhen muss. Dadurch ist es manchmal schwierig, etwas zu verabreden, obwohl ich mich gelegentlich ganz bewusst dazu entscheide, es doch zu tun. Am nächsten Tag merke ich dann, dass ich am Vortag zu viel gemacht habe. Da meine Mobilität eingeschränkt ist, sowohl durch körperliche Einschränkungen als auch durch mentale Spannungen, bin ich viel zuhause. Ich empfinde auch Unverständnis von meiner Umgebung: die Leute meinen oft, dass alles wieder gut wird. Ich habe auch viele Freundinnen verloren, die nicht mehr kommen. Die Menschen in meiner Umgebung sind noch relativ jung und haben mit der Arbeit, der Familie usw. viel zu tun. Zuhause, in meiner Familie, sprechen wir eigentlich nicht darüber, das fehlt mir schon manchmal.
Liesbeth
"Niemals auf den ersten Blick urteilen, man weiß nicht, ob sich hinter meinem Lächeln die Tränen verbergen..." lese Sie mehrLiesbeth
Als ich durch die Hirnblutung betroffen wurde, stand ich sehr positiv im Leben, ich hatte nach einer turbulenten Phase alles wieder im Griff, befand mich in der abschließenden Phase meines Studiums Online Marketing, ging 3 Mal wöchentlich eine Runde joggen, hatte mich in meiner neuen Wohnung in einem anderen Ort eingelebt, mein Sohn und meine Tochter (aus einer früheren Beziehung, gemeinsames Sorgerecht) kamen in ihrer neuen Schule gut zurecht und ich hatte eine angenehme, stabile Beziehung.
1 Wann trat bei Ihnen eine Hirnblutung auf?
Ich war in der Woche davor gerade 41 geworden, es versprach, ein schöner, sonniger Tag zu werden. Der 18. September war ein ganz normaler Sonntag, der letzte ganz normale Sonntag... An den Moment, in dem mein linker Arm plötzlich bewegungslos an meinem Körper hing, kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe (als ob das helfen würde) ihm selbst noch gut zugeredet: komm, jetzt nimm das Glas! Aber leider, es tat sich nichts. Eine Stimme in mir sagte, dass da etwas nicht stimmte, aber was sollte ich tun? Ich war zu dem Zeitpunkt alleine zuhause. In einem solchen Moment gehen einem zig Sachen durch den Kopf. Im Endeffekt habe ich 112 angerufen. Meine Stimme hat merkwürdig geklungen, als wäre ich völlig betrunken gewesen. Die Dame am Telefon beschloss, sofort einen Krankenwagen kommen zu lassen: meine teuerste Taxifahrt jemals. Aber was war ich froh, dass ich angerufen habe! In der Notaufnahme erwies sich nach einigen Untersuchungen, dass ich eine Hirnblutung hatte, mit starken Ausfallerscheinungen links. Ich hatte keine Funktionen mehr in Bein, Arm und Hand. Ich konnte nicht laufen, sogar sitzen war problematisch, weil ich kein Gleichgewicht hatte. In so einem Augenblick liegt einem das Leben in Trümmern. Im übertragenen Sinne, aber auch buchstäblich, denn ich werde nie wieder ganz die Alte sein.
2 Wie verlief die Reha?
Wie geht es jetzt weiter? Ich bin (mit der Unterstützung meines Lebenspartners, meiner Eltern und Kinder, die damals 6, bzw. 8 Jahre alt waren) ab dem ersten Tag positiv mit meiner Genesung umgegangen. Ich durfte nach etwas weniger als einer Woche vom Krankenhaus in eine Reha-Klinik wechseln. Und man hat zwar nicht auf alles Einfluss, aber auf jeden Fall darauf, wie man damit umgeht, daher habe ich ab dem ersten Tag dafür gekämpft, meine Funktionen zurückzubekommen, zunächst 6 Wochen intern und anschließend poliklinisch.
Im Dezember 2016 folgten weitere Untersuchungen hinsichtlich der möglichen Ursache meiner Hirnblutung. Dabei wurde eine AVM (Gefäßknäuel) gefunden, die auf Anraten des Neurochirurgen Anfang April 2017 (über einen Eingang im Schädel) entfernt wurde. Ich hatte eigentlich auch keine andere Wahl, denn nicht operieren hätte eine Chance von 76% auf eine Wiederholungsblutung bedeutet. Ich hatte einen kleinen Rückschlag an Arm und Hand, aber auch am Bein. Nicht viel später kam der mentale Zusammenbruch. Plötzlich kam die Erkenntnis, was eigentlich alles passiert war, und wir hörten auch immer häufiger, wie es auch anders hätte ausgehen können. Solange man im „Überlebensmodus“ ist, denkt man nicht wirklich darüber nach, da ist man ganz einfach nicht zu imstande. Der Fokus liegt auf Genesung, kämpfen, fallen, wieder aufstehen und weitermachen. Die darauf folgenden Monate waren daher eine Anhäufung von Emotionen: eine emotionale Achterbahn. Alle Emotionen überfallen einen: Trauer, Bosheit, Müdigkeit, Freude, Frustration, Akzeptanz (wie denn?) und dann wieder Bosheit. Aber auch Enttäuschung. Es stimmt traurig, dass die Menschen in der Umgebung nicht so gut wissen, wie sie mit einer Situation wie dieser umgehen sollen. Ich brauche und erwarte kein Mitleid, aber Anteilnahme und aufrichtiges Interesse können eine enorme Stütze sein. Nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung. Denn eins ist klar: einen CVA (Cerebrovascular accident) bekommt man nicht alleine. Auch die unmittelbare Umgebung (Lebenspartner, Kinder, Eltern) sind betroffen, auch sie bedürfen der Unterstützung und Anteilnahmen.
3 Welche Auswirkung hat die AVM-Blutung auf Ihr Leben?
Ich werde wohl lernen müssen, zu akzeptieren, dass der Genesungsprozess viel Zeit und Geduld in Anspruch nimmt. Ich frage mich auch, ob ich das eigentlich akzeptieren soll, es ist ein sogenannter lebender Verlust und das hat nichts mit Akzeptanz zu tun. Bewältigung des Verlustes; ich glaube so müsste man es nennen. Ich versuche, mit meinem neuen Ich und den dazugehörigen Einschränkungen umzugehen. Und darüber hinaus weiterhin für die kleinen Dinge zu kämpfen, mit denen noch Fortschritte verbucht werden, wie z.B. die Muskelkondition und das Trainieren der Muskelmasse. Aber ich suche auch immer noch nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Anstrengung und Entspannung. Zum richtigen Zeitpunkt Ruhe einbauen, das bleibt für diese fleißige Biene auch weiterhin schwierig. Mein Leben wird nie wieder dasselbe sein, ich weiß nicht, ob ich noch lange Distanzen radeln, mit den Kindern herumtollen oder joggen kann. Ab jetzt fängt ein anderes Leben an, das neue Leben von Lies 2.0. Das Wichtigste ist für mich, dass ich noch da bin, um mich herum schauen kann, meine Kinder sehen kann, meinen Lieben sagen kann, dass ich sie liebe und die kleinen Dinge des Lebens genießen kann.
Meine Botschaft: leben, genießen und nichts aufschieben, was man heute noch unternehmen kann. Im Ernst, morgen kann alles ganz anders aussehen und dann möchte man nicht, dass man irgendetwas nicht hätte machen, sagen oder erklären können.
Niemals auf den ersten Blick urteilen, man weiß nicht, ob sich hinter meinem Lächeln die Tränen verbergen...
Suzanne
"Aufgrund meiner AVM-Hämorrhagie sah ich die Dinge anders, so dass ich bewusst bestimmte Entscheidungen traf, die ich im Leben für wichtig hielt: mehr Dinge mit meiner Familie und weniger Sorgen um meine Arbeit im Gesundheitswesen." lese Sie mehrSuzanne
Ich arbeite als Krankenschwester, bin verheiratet und habe 2 Kinder, Thomas ist 9 und Lucas ist 7 Jahre alt. Ich liebe Musikfestivals, tanze gerne und es macht mir Spaß Kleidung zu nähen.
1 Wann trat bei Ihnen eine Hirnblutung auf?
Ich war 30, als es entdeckt wurde. Ich hatte Nachtdienst und arbeitete als Krankenschwester im Krankenhaus. Plötzlich bekam ich starke Kopfschmerzen und Ohrensausen. Ich dachte, dass ich einen Migräneanfall hatte, da ich noch nie so schlimme Kopfschmerzen hatte. Da ich im Krankenhaus arbeitete, wurde sofort ein CT-Scan gemacht. Und daraufhin sagte der Neurologe, dass ich ein Aneurysma infolge einer AVM erlitten hatte. Ich wurde sofort im Krankenhaus aufgenommen und am nächsten Tag wurde ich für das Aneurysma behandelt. Danach sollte ich für die AVM behandelt werden. Während der Aufnahme hatte ich häufig starke Kopfschmerzen.
2 Wie verlief die Behandlung?
Als ich mich von dieser Behandlung erholt hatte, hatte ich mit dem Neurochirurgen ein Gespräch über die Behandlungsmöglichkeiten. Ich habe mich damals für die Embolisierung über die Leiste entschieden, denn ich wollte eine große Operation vermeiden. Zum Glück konnte es in einem Versuch verschlossen werden, sodass ich keine anderen Behandlungen mehr brauchte. Aber es dauerte ein gutes Jahr, bis alle Untersuchungen und Behandlungen abgeschlossen waren und ich die Sicherheit hatte, dass die AVM ganz abgedichtet war. Der Arzt sagte jedoch, dass ich mich aufgrund meines jungen Alters nach 5 Jahren einer Angiographie unterziehen müsse, um zu untersuchen, ob alles noch in Ordnung sei. Während des Wartens auf die Behandlung hatte ich gelegentlich, wenn ich Kopfschmerzen hatte, schon Angst, dass es schiefgehen könne. Ich bekam eine Broschüre über mein Krankheitsbild und recherchierte im Internet, aber ich konnte zu diesem Thema nur sehr wenige Informationen finden.
3 Wie verlief die Reha?
Ich erholte mich gut nach der Behandlung und konnte schnell wieder meine Arbeit aufnehmen, aber ich merkte, dass ich nach der Arbeit schneller müde war und dass ich keine Energie mehr für andere Dinge hatte. Aus diesem Grund habe ich mich nach einer anderen Stelle umgesehen, denn ich arbeitete in einer hektischen Abteilung im Krankenhaus. Und ich begann auch, weniger zu arbeiten. Ich hatte häufig Angst, wenn ich Kopfschmerzen hatte, weil ich immer fürchtete, dass dann etwas passieren würde. Es hat lange gedauert, bis ich diese Angst nicht mehr hatte. Mein Mann hat sich erschrocken, als ich nachts vom Krankenhaus anrief, dass ich ein Aneurysma hatte, er fand es auch sehr spannend, als ich die Behandlung bekam. Während meiner Krankenphase, war mein Mann sehr besorgt und hat mich immer gut im Auge behalten. Meine Kinder waren sehr jung und haben das alles nicht bewusst miterlebt. Inzwischen hatte ich eine andere Stelle als Pflegekraft bekommen und versuchte, ein besseres Gleichgewicht zwischen Privatsphäre und Arbeit herzustellen, was immer besser gelang. Ich fing an, gewisse Dinge anders zu betrachten und traf dadurch bewusstere Entscheidungen in Bezug auf das, was ich in meinem Leben wichtig finde: mehr mit meiner Familie zu unternehmen und mir weniger Gedanken über meine Arbeit in der Gesundheitsfürsorge machen.
4 Wie geht es jetzt?
In diesem Jahr hatte ich meine Kontroll-Angiographie und diese ergab, dass doch noch ein kleiner Bereich nicht gut verschlossen ist. Die Empfehlung der Neurochirurgie lautet, eine Operation anstelle der Embolisierung. Und das hatten mein Mann und ich nicht erwartet. Ich ging davon aus, dass dieses letzte Stück auch geleimt werden könne, aber der Neurochirurg sagt, dass eine Operation für mich die beste Option sei. Es wird jetzt erst ein MRT gemacht, um zu ermitteln, wie die Operation am besten durchgeführt werden kann, und danach folgt ein Gespräch mit dem Neurochirurgen über die Behandlung. Ich mache mir schon Sorgen um eine so große Operation. Meine Kinder sind jetzt größer und verstehen daher besser, was passieren wird, wen ich mich behandeln lasse. Aber im Moment versuche ich, noch nicht zu viel daran zu denken.
Nikkie
"Ich empfinde es, als hätte ich ‚Reservezeit‘ bekommen. Bevormundung finde ich schrecklich. Ich bin nicht bemitleidenswert, ich habe nicht plötzlich meine Intelligenz verloren, ich habe ganz einfach eine neue Gebrauchsanweisung bekommen. Nikkie 2.0, Nikkie im neuen Stil." lese Sie mehrNikkie
Abgesehen vom Sport und Autofahren konnte ich an allem normal teilnehmen, obwohl ich vermute, dass ich damals schon einen Hirnschaden hatte. Es hat mich nie von meinen Aktivitäten abgehalten. Ich habe die Grundschule, die Realschule und anschließend die Hochschule und ein Jahr Universität absolviert. Ich reiste alleine durch die Weltgeschichte und unternahm alles Mögliche. Ich hatte Freunde und fand sogar meine große Liebe, mit der ich seit vergangener Woche verheiratet bin.
1 Wann wurde die AVM entdeckt?
Ich wurde mit einem kleinen Produktionsfehler geboren. Es ist nicht erbliches oder ansteckendes, es ist einfach da, genau wie mein kleiner Finger und meine Nase. Solange ich denken kann, ist es da. Zum Glück hat es mich bisher nie an irgendetwas gehindert. Ich habe so ungefähr alles gemacht. Es war und ist jedoch immer wichtig, mit Stress aufzupassen, in meiner Umgebung und bei mir selber. Und ich muss unbedingt einen zu hohen Blutdruck vermeiden.
Kurz nach meiner Geburt war bereits klar, dass etwas nicht ganz stimmte. Ich war ein fröhliches Kind und lernte schnell und gut essen und sprechen. Aber in motorischer Hinsicht ging nicht alles so, wie es sein sollte, mein Schädel war größer als normal und meine Mutter hörte ein ‚Sausen‘ in meinem Kopf. Das kam, so stellte sich später heraus, durch das Blut in meinem Kopf, das zu schnell durch meine Adern strömte.
2 Wann trat bei Ihnen eine Hirnblutung auf?
Anfang Dezember 2017 kam die Blutung, wann genau, weiß ich nicht. Eigentlich ein Glück im Unglück, ich weiß wirklich nicht, wie ich es sonst geschafft hätte, ‚die Bremse anzuziehen‘. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich bin ganz froh um die Blutung. Ich glaube, dass ich bereits seit vielen Jahren zu viel von mir verlangt habe und mein Körper mir das mehrmals ‚auf sanfte Art und Weise‘ zu verstehen gegeben hat, aber da habe ich nicht drauf gehört.
Ich erinnere mich wohl noch daran, dass ich nicht mehr normal denken konnte, mich ständig übergeben musste und sehr schnell müde war. Das Laufen klappte nicht mehr, gerade sitzen auch nicht. Mein Gleichgewicht war schlecht und ich war inkontinent.
Am 22. Dezember 2017 teilte mir der Neurologe mit: Sie hatten eine Hirnblutung. Ich melde Sie zur Rehabilitation und häusliche Pflege an. Für die Reha musste ich aufgenommen werden.
3 Wie verlief die Reha?
Am 17. Januar 2018 wurde ich in eine Reha-Klinik aufgenommen. Anfangs habe ich vor allem viel geschlafen. Ich glaube, dass ich diese Ruhe dringend brauchte. Es gab dort sofort eine klare Struktur: Aufstehen, Essen, usw. war jeden Tag zur selben Zeit. Ich glaube, dass dadurch der Burn-Out und die Depressionen relativ schnell in den Hintergrund traten. Danach war mein Körper erst wirklich für die Rehabilitation bereit. Ich war 3 Monate in der Klinik aufgenommen, 2,5 Monate war ich in der ambulanten Reha. Ich hatte 3 große Ziele: wieder laufen können, meine Stimmung verbessern und nicht mehr inkontinent sein.
Anfangs hatte ich den Eindruck, gar keine Fortschritte zu machen. Das war ganz schön hart. Würde es jemals wieder in Ordnung kommen? Ich bekam Ergo-, Logo- und Physiotherapie und wurde für alle erdenklichen Programme eingeplant, wie z.B. die Arm-Hand-Gruppe, die Judogruppe, Schwimmen, usw. Ich sprach mit dem Sozialarbeiter, Psychologen und Geistlichen. Es war wirklich ein harter Kampf, und gleichzeitig lehrten sie mich, meine Grenzen zu erkennen, zu akzeptieren, anzugeben und zu respektieren. Ich durfte nicht zu viel von mir verlangen, das hatte ich wahrscheinlich bereits lange getan und hatte ganz klar keine günstigen Auswirkungen.
Ich wusste, dass mein Freund, mit dem ich bereits seit 12,5 Jahren zusammen war, gerne heiraten wollte. Für mich musste das nicht unbedingt sein. Er blieb bei mir und sagte ganz klar: ‚In guten und schlechten Zeiten‘. Anfangs hatte ich Angst, dass er weggehen würde, aber er versicherte mir, dass er bleiben würde. Ich befand mich in dieser blöden Situation, er könnte davor weglaufen. Dass er das nicht tat. Es hat wahrscheinlich dafür gesorgt, dass ich auch wieder ein gewisses Vertrauen und den Glauben an mich selber gewann.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich in meinem Kopf alles noch konnte. Dass ich meinte, aus dem Bett aufstehen und einfach auf den Gang laufen zu können. Aber das war nicht der Fall: es gelang mir einfach nicht. Ich meinte, dass ich an Intelligenz eingebüßt hatte, ich konnte den Ereignissen um mich herum nicht mehr folgen und alles ging viel zu schnell. Das war wirklich eine unangenehme Empfindung, vor allem, weil alle anderen ihr Leben einfach fortsetzten und ich das auch so gerne wollte. Und fand ich es früher langweilig, als alles ruhig war, jetzt hatte ich gerade danach ein großes Bedürfnis.
Es war schon komisch zu merken, dass ich in einer ganz anderen Welt lebte, als die Menschen um mich herum. Ich weiß noch, dass ich das Gefühl hatte, dass die anderen Reha-Patienten mich am besten verstanden. Sie kannten auch meine Verlusterfahrungen, wussten, wie es war, um sein Leben zu kämpfen. Als ich hörte, dass ich wahrscheinlich nie wieder in der Lage sein würde, auf einem normalen Fahrrad zu radeln, war ich sehr traurig. Meine Reha-Genossen verstanden das. Es war unglaublich angenehm, zu merken, dass ich mit Leuten, die mir in einer anderen Situation wahrscheinlich nichts gesagt hätten, ein vertrautes Verhältnis bekam.
4 Welche Auswirkung hat die AVM-Blutung auf Ihr Leben?
Es war ein schwerer Weg und es ist noch immer regelmäßig unangenehm, aber dennoch geht es mir sehr gut. Ich merke zwar noch, dass ich weniger schnell denke als früher, schneller müde werde und ein Bedürfnis nach Struktur und Deutlichkeit habe. Ich kann nicht so schnell umschalten und brauche mehr Zeit zum Verarbeiten. Wichtig ist, dass ich nicht zu viel plane. Zwei Verabredungen pro Tag sind mehr als genug. Morgens etwas, wofür ich mein Hirn benötige, und mittags Sport oder Bewegung. Ich sage mir regelmäßig: ‚Ok, los gehts‘, um mich zu motivieren. Früher konnte ich mich hervorragend motivieren, vielleicht zu gut. Daher ist es wichtig, dass ich mich selbst gut im Auge behalte, einschätze, was ich kann und was nicht, und das anderen gegenüber klar kommuniziere. Es ist hin und wieder ein beschissenes Gefühl, dass ich nicht mehr alles kann, aber andererseits kann ich froh sein, dass ich noch lebe. Ich empfinde es, als hätte ich ‚Reservezeit‘ bekommen.
Bevormundung finde ich schrecklich. Das kann man lieber nicht machen. Ich bin nicht bemitleidenswert, ich habe nicht plötzlich meine Intelligenz verloren, ich habe ganz einfach eine neue Gebrauchsanweisung bekommen. Nikkie 2.0, Nikkie im neuen Stil. Ich versuche vor allem, die Vorteile darin zu sehen, auch wenn das nicht immer so einfach ist.
Andererseits: ich lebe noch, und brauche mich nicht mehr von der Verrücktheit der Gesellschaft mitreißen lassen. Das einzige, was ich tun muss, ist gut für mich selbst sorgen.